Freitag, Februar 17, 2006

Das banale Töten und der Tod

Hanna Arendts berühmt gewordene Formel, mit der sie ihren während des Prozesses in Jersualem gewonnenen Eindruck von der Persönlichkeit Eichmanns zu fassen suchte, liesse sich leicht umdrehen und auf Clint Eastwoods Western-Schwanengesang anwenden: «Unforgiven» bebildert das Böse der Banalität.
Der Sprung scheint gross: Die Banalität des Geschlechtlichen und sein Bann, in den unermesslich viele Filme unterschiedlichster Qualität gezogen sind; sie tritt auf in Gestalt der Doublette. Nichts scheint so faszinierend und unerschöpflich wie das Eigentliche des Sexuellen und noch wenn es uneigentlich durch die Bearbeitung wird, so weiss es sich doch stets im Zentrum des Interesses.
Sexualität und Tod, oder besser noch: Sexualität und das Töten sind es, in minotaurischer Gestalt, die ebenso in «Unforgiven» wüten, je tiefer der Film seiner selber ausgelegten Spur ins Labyrinthische folgt.

Der Killer, dessen Frau wir nur als Tote kennen lernen: Sie habe ihn abgebracht von den "bösen Dingen", die er getan habe: Einmal, so erzählt es William Munny (gespielt von Eastwood selber) noch zu Beginn des Films, habe er einem Mann in den Mund geschossen, sodass die Zähne hinten aus dem Kopf herausgespritzt seien. Die Schweine auf seiner Farm, wo unter einem Baum die tote Ehefrau begraben liegt, sind krank. Die Kinder reden vom Tod. Die Farm liegt auf offenem Land, scheinbar unversteckt, doch als Zuschauer weiss man, dass sie kaum zu finden und fast nicht zu verlassen ist.
Einer Prostituierten (gespielt von Anna Levine) wurde von einem Cowboy das Gesicht zerschnitten, weil sie sich über seinen "kleinen Specht" lustig gemacht hatte. Niemand zieht den Gewalttäter dafür zur Rechenschaft; es wurde, so wird gesagt, bloss Eigentum beschädigt, weshalb alle Prostituierten des Nests ihr Geld zusammenlegen, um einen Killer anzuheuern, der für Gerechtigkeit sorgen soll. Der Ruf ereilt Munny, der nichts mehr wissen will von seinem früheren Leben, in Form eines Grünschnabels, der ihn auf der Farm aufsucht. Munny folgt ihm und einmal aus seiner Farm herausgeführt, fällt er zurück in die alte Rolle. Die scheinbare Offenheit der Gegend um die Farm herum, die so genannte Welt, wird zu einem Labyrinth und wo der Minotarus Munny steht, dort ist sein Zentrum. So tötet er, zunächst des Geldes wegen, danach aus Rache. Als ihm angeboten wird, Vorschuss in Form von "Freinummern" mit Prostituierten zu beziehen, verweist Munny auf seine Frau, der er treu sein wolle. Seine Frau, die tot ist.

Als er am Ende des Filmes mit seinem Gewehr anlegt und zielt, ist sein Auge, meisterhaft fotografiert, dasjenige des Moby Dick, in das Gregory Peck alias Ahab voller Entsetzen und Abscheu blickt, bevor ihn dieses andere Ungeheuer in die Tiefe des Meeres hinabzieht. Der Akt des Tötens bleibt dabei, trotz aller Bemühungen um Melodramatik, banal. Munny steht über dem sterbenden Sheriff (gespielt von Gene Hackmann), ein äusserst brutaler und gewissenloser Mann. "Das habe ich nicht verdient", klagt der Sterbende und Munny antwortet lakonisch nur: "Das hat damit nichts zu tun", bevor er ihm in den Kopf schiesst.
Die Rede der Ungeheuer ist stets dieselbe und sie sagt dies: Wo ich bin, ist das Zentrum.

2 Comments:

Anonymous Anonym said...

Wow - wäre der Film nur halb so gelungen wie dieser Text ......

5:34 PM, März 20, 2006  
Anonymous Anonym said...

Grossartiger Text - Respekt!

12:19 AM, August 01, 2006  

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